Der Gütersloher Bachchor brillierte anlässlich seines 75-jährigen Bestehens mit Musik von Mozart und des Namensgebers.
Gütersloh. Ergreifend, tröstend und aufmunternd, vor allem aber jubilierend war die Musik, die der Bachchor Gütersloh dem Publikum anlässlich seines 75. Geburtstages in der Martin-Luther-Kirche nun schenkte. Dank des überwältigenden Glücksgefühls über den lang ersehnten, unmittelbaren Kontakt zum Publikum waren die letzten schwierigen Monate für mehr als eine Stunde vergessen.
Anerkennende Worte, Wünsche und Geschenke von Bürgermeister Norbert Morkes, der Evangelischen Kirchengemeinde und dem Förderverein des Chores standen am Beginn der Jubiläumsfeier. Berührend waren die Blicke in die Zuschauerreihen – insbesondere aufgrund der Anwesenheit des heute neunzigjährigen Hermann Kreutz, des ehemaligen Chordirigenten. In seinen drei erfolgreichen Dekaden der musikalischen Regentschaft wuchs das Ansehen des Gütersloher Chors kontinuierlich. Brillant entfaltete sich das Ensemble auch in den anschließenden Jahren unter seinem Nachfolger: Sigmund Bothmann pflegt die Tradition leidenschaftlich, wagt allerdings zugleich neue Wege zu gehen, wodurch der Chorgesang auch für jüngere Sängerinnen und Sänger attraktiv bleibt.
Der Musik seines Namensträgers Johann Sebastian Bach widmet sich der Chor mit besonderer Vorliebe, konsequent wurde also auch das Jubiläumskonzert mit der frohlockenden Kantate (BWV 190) eröffnet. Eine nie nachlassende Kraft prägt das feierliche Werk, das mit drei Solisten, vierstimmigem Chor, mit Streichern und mehrfach besetzten Blasinstrumenten, hier des Orchesters „L’arte del mondo“, einem zuverlässigen musikalischen Partner der Gütersloher, anfängt. Sie musizierten fortwährend präzise: die huschenden Streicher mit den schmetternden Bläsern und den feurig zum Gotteslob animierenden Choristen. „Singet dem Herrn ein neues Lied“ (Psalm 149) und „Lobet ihn mit Pauken und Trompeten“ (Psalm 150) forderten sie mitreißend, um später wiederum mit den ergreifend schlichten, einstimmig gesungene Versen aus „Herr Gott, dich loben wir“ von Martin Luther die Zeit nahezu „stehen zu lassen“.
Auch die Wahl der Solisten war geglückt. Der Tenor Georg Poplutz und der Bass Markus Flaig vergeistigten das berühmte Duett „Jesus soll mein alles sein“ mit ihren schönen Stimmen: Es entstand ein anrührend intimer Dialog zwischen einer gläubigen Seele und ihrem Gott. Leichtfüßig sang die Altistin Ivonne Fuchs die zarte Arie „Lobe Zion“, makellos und bezaubernd.
In der nicht weniger jubilierenden „Krönungsmesse“ KV 317 von Wolfgang Amadeus Mozart traten die Solisten, unterstützt durch die reizvolle Stimme der Sopranistin Carine Tinney, erneut in Erscheinung und sangen fabelhaft, perfekt in Intonation und Artikulation. Sigmund Bothmann, der gewohnt sicher und konzentriert führte, schaffte es auch hier, die stimmliche Balance des Chores mit der Achtsamkeit im Zusammenwirken mit den Solisten und dem Orchester zu vereinen. Ausdrucksstark waren die gewichtigen Kontraste, sowohl erhabene Tutti-Ausrufe, wie zu Anfang des Credo, des Sanctus und des Kyrie, als auch besonders intime Episoden, wie im Agnus Dei.
Ein ganz großer Wurf des Dirigenten und aller Mitbeteiligten, den das Publikum zu schätzen wusste und sich deshalb eine lange Zugabe erkämpfte, das größtenteils hochdramatische und akzentfreudige Credo. Ein würdiger Abschluss für ein unvergessliches Jubiläumskonzert.
Eugenie Kusch, Neue Westfälische vom 03.11.2021