Wenn sanfter Bläserklang ins Paradies begleitet

Gütersloh (gl). Von großer religiöser Symbolkraft ist die Zahl Sieben geprägt. An sieben Tagen schuf Gott die Welt, sieben Sakramente gibt es und auch sieben Todsünden. Und in überirdischen Sphären befindet man sich im siebten Himmel. Die von Joseph Haydn vertonten „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“ hat der Bachchor mit dem Orchester l’arte del mondo und Gesangssolisten unter der Leitung von Sigmund Bothmann ergreifend in der Martin-Luther-Kirche dargeboten.

Passend am „Laetare“ (Freue dich), dem vierten Sonntag in der Passionszeit, ergänzt Pfarrerin Wiebke Heine: „Freue Dich, dass der Tod nicht das letzte Wort haben wird.“ Dass das mehr als einstündige großartige Werk mit einem furiosen „Il Terremoto“ (Erdbeben) zu Ende geht, wie es in der Bibel steht, mag so manchem Zuhörer im vollbesetzten Kirchenraum die verheerende Präsenz der aktuellen Kriegsgeschehnisse bewusst gemacht haben.

Interessant ist die Geschichte dieses Auftragswerks. Ursprünglich als Instrumentalwerk für eine Passionsandacht im südspanischen Cádiz geschrieben, hat es Haydn später für Streichquartett und in eine deutschsprachige Fassung für Chor und Solisten umgearbeitet. Einer lebhaften Einleitung folgen sieben Sätze in tragendem Tempo. In einem Wechsel an- und abschwellender Lautstärke erhebt der Chor die Stimme: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ Sanfter Bläserklang begleitet ins Paradies. Von tiefer Düsternis ergreift die verzweifelte Frage: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Der schwermütigste Teil und gleichzeitig Höhepunkt ist das Sterbewort aus dem Johannesevangelium „Es ist vollbracht.“ Wie kann so viel Schmerz so lieblich- lyrisch klingen? Atemlos verfolgt man die Zuversicht und das Gottvertrauen in „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist“, bevor die Erde erbebt und die in sieben langsamen Sätzen angesammelte Spannung sich in naturalistischen Klangeffekten und dynamischen Exzessen in „Il Terremoto“ entlädt.

Voll zur Geltung kommt der Chor mit klangästhetischer Stimmgestaltung, dazu beweglich und rhetorisch differenziert. Ein tief bewegendes und aufwühlendes Werk, das durch seine Einfachheit und Wiederholungen, nicht, wie oft zu lesen, ermüdet. Im Gegenteil. Diese Schwierigkeit bewältigt Bothmann bravourös, ohne auf vordergründige Effekte oder übersteigerte Tempi zu setzen. Er setzt auf Haydns gewünschte Akzente und hat mit „l’arte del mondo“ technisch versierte und einfühlsame Partner an der Seite.

Zur großartigen Deutung der „Sieben Worte unseres Erlösers am Kreuze“ tragen maßgeblich die Gesangssolisten bei. Gefühlstief und emotional deuten sie den tiefen religiösen Inhalt aus. Natürliche Beweglichkeit strahlt Cornelie Isenbürgers fein artikulierte Sopranstimme aus, und mit samtig tiefem Alt begeistert Geneviève Tschumi. Ihnen zur Seite überzeugen nicht minder Markus Krause mit wunderbar kraftvollem Bass und Paul Schweinester mit technisch vitalem Tenor. Ein außergewöhnlicher Hörgenuss, der mit verdientem Applaus belohnt wurde.

Artikel aus „Die Glocke“ vom 21. März von Dr. Silvana Kreyer